Von Michael Springer
Berlin hat als Kommune und als entsorgungspflichtige Körperschaft die Entsorgung und Stadtsauberkeit dem landeseigenen Unternehmen Berliner Stadtreinigung (BSR) übertragen. Daneben arbeiten viele private Unternehmen in der Abfallentsorgung und Recycling.
Seit 2018 gibt es die Gesamtstrategie Saubere Stadt, mit der zahlreiche Maßnahmen initiiert wurden, um die Stadtsauberkeit zu verbessern. Der Senat, die Bezirke, die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) und zahlreiche Träger setzen ein Maßnahmenpaket um, das eine Kombination bildet aus:
1. Ahndung: Sanktionierung von Fehlverhalten
2. Aufklärung: Maßnahmen zur Sensibilisierung und Aktivierung von Bürgerinnen und Bürger, wie z.B. Kampagnen, Clean-Ups, etc. mit dem Ziel der Vermeidung von Fehlverhalten
3. Angebote: Ausweitung der Angebote zur legalen Entsorgung von Abfällen, zügige Beseitigung von Verschmutzungen und illegalen Ablagerungen (Reinigung/ Entsorgung).
Die Gesamtstrategie Saubere Stadt ist jedoch sehr lückenhaft und baut auf ordnungsrechtlichen Konzepten des vorigen Jahrhunderts auf. — Das sorgt für Ineffizienz und fehlende Generalprävention. Zudem werden durch Demografie und interkulturelle Zuwanderung immer mehr Sprachhindernisse geschaffen, die soziale Synergien hemmen.
Kampagnen wie „Gemeinsam für ein sauberes Berlin“ erreichen nur Zielgruppen und interessierte Kreise. Im Ballungsraum mit mehr als 7 Mio. Menschen und bis zu 1,6 Mio. Touristen an Spitzentagen ist das jedoch nicht genug. Immerhin: es gab einen Paradigmenwechsel, der von der Berliner Stadtreinigung voran getrieben wird: das alte Bild der „Stadtreinigung“ wurde schrittweise aufgegeben. Das neue Paradigma lautet nun „Stadtsauberkeit“ — übersetzt mit „“City cleanliness” oder „Urban cleanliness.“
Reinickendorf entwickelt Strategien gegen Vermüllung
Mit der Pressemitteilung Nr. 2250 vom 30.09.2025 wird in Reinickendorf der Kampf um eine saubere Stadt neu aufgenommen. Die darin beschriebene Vorgehensweise: „Reinickendorf entwickelt Strategien gegen Vermüllung“ erhöht den Kommunikationsaufwand und führt einen neuen „Sparring- und Umsetzungspartner für zirkuläre Transformation“ ein, der zusätzlich den Kollaborationsaufwand erhöht. Neues „Wording“ wird eingeführt, ohne Ursachen, Wurzeln und Quellen der „Vermüllung“ anzupacken.
Im Zuge der Digitalisierung werden immer mehr Akteure und Agenturen eingebunden und immer mehr Maßnahmen entwickelt, die sich „gegen Vermüllung“ richten und als „Strategien“ bezeichnet werden, die in eine Kreislaufwirtschaft münden sollen. In der Realität entstehen weiterhin Flickwerk, Lücken und eine Verwahrlosung im Umgang mit Abfallstoffen, weil Grundsatzfragen der Stadtpolitik neu gestellt und gelöst werden müssen.
Runde Tische bieten keine Lösungen für Metropolenprobleme
Mit der politischen Doktrin des lokalen, kieznahen Runden Tisches werden immer mehr Gesprächskreise, Gremien und Lösungsstrategien eingeführt, die in der Summe Komplexität und Kosten und staatliche Aufgaben mehren. Beispielsatz: „Der Runde Tisch hat gezeigt, dass wir nur gemeinsam – Verwaltung, Institutionen, Wirtschaft und Bevölkerung – wirkungsvolle Strategien entwickeln können.“
Dabei begibt sich verantwortliche Politik in die Rolle eines Moderators lokaler Beteiligter, statt daran zu arbeiten, die in Berlin-Brandenburg vorhandenen Kenntnisse, Dienste und Technologien systematisch zu nutzen, um neue Lösungen und Standards in Gang zu setzen.
Zeitgleich entstehen mit den großen Trends der Digitalisierung und Mediatisierung völlig neue SmartCity-Technologien und standardisierbare technische Möglichkeiten zur „Vermeidung & Verwertung“ — und zur „Servicialisierung von Kreisläufen und zur Bildung von neuen offenen Märkten und Synergien.
Der Paradigmenwechsel zur „Stadtsauberkeit“ und „Urban cleanliness“ erfodert grundsätzliche ordnungsrechtliche Innovationen, veränderte Arbeitsteilungen und die Nutzung von öffentlichen Synergien, die regelbasiertes Verhalten belohnen — und zugleich generalpräventiv wirken.
Verhaltensökonomie & Voraussetzungen für Stadtsauberkeit
1. Vor einer „Ahndung und Sanktionierung“ steht das Erkennen!
Im Abfallsegment wild deponierter Abfälle aus Gewerbe und Baugewerbe ist ein digitales Hinweisgeber-System für Bürger nicht ausreichend.
Es macht die Ordnungsämter zu „Abfallbeauftragten“ der Bürger und mehrt den Verwaltungsaufwand — wobei eine zeitnahe Ahndung mit generalpräventiver Wirkung ausbleibt.
Das Ordnungsamt wird dabei zur teuren mitwirkungspflichtigen Institution, die den vom Land Berlin beauftragten Entsorger BSR „beauftragt.“
Um das Problem der wilden Deponierung von Abfällen zu lösen, ist ein Blick nach Wien hilfreich. Hier hat man schon vor vielen Jahren eine Alternative gefunden, indem man Ordnungsrecht abgespeckt hat, und ein System der aufwandsbezogenen Verwaltungsstrafen geschaffen hat. Und man hat „mehr Augen im Stadtbild“, weil anfangs mehr als 420 Verwaltungsmitarbeitende die Kompetenz zur Ahndung bekommen haben.
Die Strategie: „Bewusstsein schaffen, ein Top-Angebot zur legalen Entsorgung des Mülls und strenge Kontrollen inklusive Strafen durch die WasteWatcher: Das ist das Erfolgsrezept der Stadt Wien in Sachen Sauberkeit. Geregelt sind die Kontrollen und Strafen im Wiener Reinhaltegesetz, das 2007 vom Wiener Landtag beschlossen wurde.“
Das System der „WasteWatcher“ hebt die Gewaltenteilung zwischen Bürger, Kommune, Entsorger und Ordnungsbehörden auf. Hier könnte Berlin lernen und sehr kosteneffzient werden.
Weitere verhaltensökonomische Innovationen sind nötig, die „Gains & Pains“ in der Entsorgung und Verwertung neu definieren. Dabei müssen auch heute beliebte Tabus gebrochen werden: in einer Stadt mit wachsender Armut und Obdachlosigkeit müssen auch Gutschein- und Belohnungssysteme entwickelt werden, die Zuverdienste und gewinnbringende Möglichkeiten schaffen!
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