Auch in Österreich steigt die Zahl der Langzeitarbeitslosen aufgrund der Coronakrise massiv an – einzige Ausnahme ist die niederösterreichische Gemeinde Gramatneusiedl in der Nähe von Wien.
Denn die Langzeitarbeitslosigkeit wird dort gerade gänzlich abgeschafft. In Gramatneusiedl wird Arbeit neu und anders gedacht: „Wer mehr als ein Jahr ohne Job war, bekommt eine bezahlte Stelle.“
So hat die Gemeinde die Langzeitarbeitslosigkeit einfach abgeschafft.
Die „Marienthalstudie“ – ein Klassiker der Sozialwissenschaften
Der Ort wurde bereits in den 1930er Jahren durch die „Marienthalstudie“ berühmt. Als damals die große Textilfabrik im Ort schließen musste, wurden mehr als 1.000 Menschen über Nacht arbeitslos. In einer bahnbrechenden Sozialstudie fand man erstmals heraus, dass Massenarbeitslosigkeit zu Resignation und Depression in der Gesellschaft führt.
Mit der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ setzten Hans Zeisel, Marie Jahoda und Paul Lazersfeld einen Meilenstein in der empirischen Sozialforschung.
Die Marienthal-Studie gehört bis heute zu den Klassikern der sozialwissenschaftlichen Forschung. Durch ihren Methodenreichtum gilt sie bis heute als vorbildliche empirische Studie. Die Veröffentlichung der Marienthal-Studie in dem Buch: „Die Arbeitslosen von Marienthal“ erfolgte sogar in englischer, amerikanischer, französischer und koreanischer Ausgabe.
Die Originalausgabe aus dem Jahr 1933, wurde nur wenige Monate nach ihrem Erscheinen, auf dem Scheiterhaufen der großen Buchverbrennung geworfen. Eine neue deutsche Auflage folgte erst im Jahr 1960.
Katrin Student, Diplom-Sozialarbeiterin/Diplom-Sozialpädagogin aus Hannover, hält die Erinnerung an die Marienthal-Studie auf ihrer Internetseite präsent.
Der Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich unterstützt das Projekt: „Hundert Jahre nach der Marienthal-Studie werden wir Antwort auf die Frage suchen, wie Beschäftigung auf die Menschen und die Gemeinschaft wirkt und ob Langzeitarbeitslosigkeit evidenzbasiert bekämpft werden kann“, sagte AMS NÖ-Chef Sven Hergovich zum Start des Projekts 2020.
Der AMS ist Teil des österreichischen Sozialstaats und entspricht in der Struktur der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland.
Arbeit statt Arbeitslosigkeit – eine Gemeinde-Aufgabe
In dem am 22.10.2020 gestarteten Projekt des AMS wird nun das weltweit erste evidenzbasierte Modell einer Arbeitsplatzgarantie im Ort getestet. Alle Langzeitarbeitslosen in Gramatneusiedl bekommen seit 2020 einen Job – ganz ohne Sanktionen.
Man will dabei systematisch untersuchen, wie sich die Arbeitsplatzgarantie auf das Leben der Menschen und die gesamte Gemeinde auswirkt.
Eine „Am Schauplatz“-Reportage des ORF2 vom 8. Juli 2021 hat das Projekt zehn Monate lang begleitet und zeigt, ob und wie die Utopie „Arbeit für Alle“ funktionieren könnte. Das YouTube-Video ist bis heute aufrufbar.
ARTE Journal: Österreich: Eine Gemeinde ohne Langzeitarbeitslose
Das ARTE Journal vom 20.12.2022 berichtet hochaktuell über das bisher sehr erfolgreiche Modellprojekt in Gramatneusiedl. Am Projekt MAGMA, Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal, nehmen alle Personen aus Gramatneusiedl teil, die seit einem Jahr beim AMS Schwechat arbeitslos vorgemerkt sind bzw. in den kommenden drei Jahren eine Vormerkdauer von einem Jahr erreichen. In Summe sind das voraussichtlich 150 ProjekteilnehmerInnen. Das Projekt wird sozialwissenschaftlich von der Universität Wien betreut.
Weitere Informationen:
www.arte.tv | Arte Mediathek
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