Die Omikron-Variante des Corona-Virus setzt sich offenbar durch, weil sie ansteckender ist, als die Delta-Variante — so die offizielle Deutung. Unter den geltenden Kontaktbeschränkungen ist das eigentlich verwunderlich. — Erklärbar ist es einerseits durch nachlassende Immunwirkungen der Impfungen. Andererseits wurde nicht bedacht, wie die Verbreitung des Virus auch über geimpfte Menschen weiter geht, die sich sicher wähnen, und auf Mund-Nase-Masken verzichten.
Die Omikon-Welle hat sich nun aufgebaut, und die Gesundheitsämter sind bei der bisher geübten Praxis an echte Kapazitätsgrenzen gestoßen. Zudem sind PCR-Testkapazitäten zum Teil überlastet, was die kostenlosen Bürgertests angeht. — Es musste gehandelt werden! — Die eigenen Personalkapazitäten der Gesundheitsämter mussten angepasst und eine Priorisierung zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen vorgenommen werden. Am 21.1.2022 haben sich deshalb die Berliner Gesundheitsämter gemeinsam presseöffentlich zu Wort gemeldet. Hier wird dokumentiert:
Gemeinsame Erklärung: Entscheidungsgründe für die noch
stärkere Priorisierung der Kontaktpersonennachverfolgung durch die Berliner Gesundheitsämter
Mit dieser Erklärung möchten wir einen Betrag dazu leisten, der Berliner Bevölkerung in der Hochphase des pandemischen Geschehens das Vorgehen der Gesundheitsämter verständlich zu machen. Vor dem Hintergrund der Masse an Vorgängen, die in den Ämtern aktuell täglich bewältigt werden muss, müssen Aufgabenstellungen erneut und verstärkt priorisiert werden.
Die Pandemie verläuft in unterschiedlichen Phasen und damit auch die Bekämpfung.
In der derzeitigen Phase der Pandemie ist Aufgabe der Gesundheitsämter die priorisierte Fallermittlung mit dem Ziel der Isolation von gesichert infektiösen Personen, die eine Gefährdung für vulnerable Gruppen darstellen. Eine ungezielte pauschale Quarantäne für Kontaktpersonen ist epidemiologisch nicht mehr sinnvoll.
Das Konzept der schnellen Ermittlung von Kontakten besitzt in der Unterbindung der Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten eine Bedeutung. Immer dann, wenn wahrscheinlich ist, dass die Weitergabe der Infektion durch eine rechtzeitige Ermittlung der suszeptiblen Kontaktpersonen gestoppt werden kann, sollten die Kontaktpersonen ermittelt werden. Das Zeitfenster für die Ermittlung schließt sich, wenn die Zeit vom Kontakt der Kontaktperson zum Fall bis zum Beginn der eigenen Infektiösität abgelaufen ist und die Kontaktperson bis dahin nicht informiert ist.
Limitierende Faktoren sind:
- Zeitdauer bis zur Kenntnis des Gesundheitsamtes über die Infektion
- Zeitdauer bis zur Fallbearbeitung durch das Gesundheitsamt
- Erreichbarkeit des Falles
- Erreichbarkeit der Kontaktpersonen
- Zeitdauer von Kontakt bis eigener Infektiösität der Kontaktperson
- Verbreitung des Erregers in der Gesamtpopulation (sog. Grundgesamtheit)
In der aktuellen Lage sind v.a. die Punkte 1, 2, 5 und 6 von Bedeutung. Die zunehmende Arbeitsverdichtung durch stark steigende Fallzahlen führt zu einem solchen Bearbeitungsstau, dass wir aktuell nicht rechtzeitig intervenieren können.
Die Inkubationszeit bei der Omikronvariante ist kürzer als bei den vorherigen Varianten, was den Interventionszeitraum verkleinert. Wir vermuten eine große Anzahl von asymptomatischen Infektionen, nach Zufallsbefunden ist damit zu rechnen, dass über einen nicht eingrenzbaren Zeitraum die Fälle infektiös waren und 5. wieder relevant wird. Bei einer endemischen Verbreitung des Erregers ist ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung dem Erreger unwissentlich ausgesetzt. Dieser Anteil ist angesichts aktueller Inzidenz (die aufgrund vieler Ursachen falsch niedrig ist) plus der Dunkelziffer so hoch, dass auch eine Unterbrechung von Infektionsketten bei optimalen Bearbeitungsvoraussetzungen bevölkerungsmedizinisch keinen Unterschied, allenfalls einen zu vernachlässigenden Unterschied ausmacht.
Es ist deshalb sinnvoll dort, wo vulnerable Personen auf eine schnelle Ermittlung angewiesen sind, prioritär in den Gesundheitsämtern tätig zu werden.
Für die Allgemeinbevölkerung ist kein relevanter Nachteil durch dieses Vorgehen zu erwarten, wenngleich das mittelfristige Ziel sein sollte, alle Fälle herkömmlich zu ermitteln.
Berlin, 21. Januar 2022
Oliver Schworck; Gesundheitsstadtrat Tempelhof-Schöneberg
Dr. Sina Bärwolff; Amtsärztin Tempelhof-Schöneberg
Detlef Wagner; Gesundheitsstadtrat Charlottenburg-Wilmersdorf
Dr. Nicoletta Wischnewski; Amtsärztin Charlottenburg-Wilmersdorf
Carolina Böhm; Gesundheitsstadträtin Steglitz-Zehlendorf
Dr. Annemarie Nowka; stellv. Amtsärztin Steglitz-Zehlendorf
Alexander Ewers; Gesundheitsstadtrat Reinickendorf
Patrick Larscheid; Amtsarzt Reinickendorf
Oliver Gellert; Gesundheitsstadtrat Spandau
Gudrun Widders; Amtsärztin Spandau
Nicole Bienge; Gesundheitsstadträtin Marzahn-Hellersdorf
Juan Carlos Ramirez Henao, Amtsarzt Marzahn-Hellersdorf
Christoph Keller; Gesundheitsstadtrat Mitte
Dr. Lukas Murajda; Amtsarzt Mitte
Camilla Schuler; Gesundheitsstadträtin Lichtenberg
Dr. Frank Kunitz; Amtsarzt Lichtenberg
Mirjam Blumenthal; Gesundheitsstadträtin Neukölln
Dr. Nicolai Savaskan; Amtsarzt Neukölln
Alexander Freier; Gesundheitsstadtrat Treptow-Köpenick
Dr. med. Alexandra Dubbke-Laule; leitende Fachärztin des Gesundheitsamtes Treptow-Köpenick
Regine Sommer-Wetter; Gesundheitsstadträtin Friedrichshain-Kreuzberg
Dr. Sebastian Graubner; Amtsarzt Friedrichshain-Kreuzberg
Dr. Cordelia Koch; Gesundheitsstadträtin Pankow
Dr. Uwe Peters; Amtsarzt Pankow
Quelle: Pressemitteilung Bezirksamt Lichtenberg 21.1.2022